Die Welt in Kürzeln denken

Ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee war, neben dem WEF (World Economic Forum) in Davos ein WCF (World Child Forum), ebenfalls in Davos, zu gründen. Aber lassen wir das dahingestellt, das sollen andere beurteilen, nicht ich.

Die Absicht, dieses alternative Forum zu gründen, ist mir selbstverständlich sonnenklar, man wollte der extrem dominanten Plattform WEF ein vernunftgesteuertes, menschennahes Forum entgegensetzen, eine Einrichtung für die Werte der Kinder, ein Forum, das davon träumt, die Kindeskräfte wieder nach vorn zu bringen gegen ein weltweit grassierendes krankmachendes Optimierungs-, Kaptalisierungs- und Machbarkeitsdenken. 

Nun hat das WCF die Idee kreiert, den Friedensnobelpreis dem Kind zu verleihen, dem Kind, richtig. Hautfarbe und Alter wird vorerst nicht theamtisiert. Es wird davon ausgegangen, dass wir sofort kapieren, was damit gemeint ist. 

Ich kapiere es allerdings nicht sofort, kapier’s überhaupt nicht. So wenig, wie ich kapiere, dass Politiker Menschen mit Zivilcourage auf die Schultern klopfen und sich bei ihnen für ihr Engangement bedanken. Wenn Politiker einen guten Job machen, braucht es keine Passanten, die ihr Leben aufs Spiel setzen, indem sie dazwischen gehen, wenn sie in der Straßenbahn oder vor der Disco sehen, wie Männer aufeinander – oder auf Frauen – losgehen.

Kann man mich verstehen? – Müssen Erwachsene die Kinder mythologisieren, um sich von ihren selbstgemachten Problemen zu befreien?! 

Wie früh sind heute Kinder schon keine Kinder mehr, weil Erwachsene gar nicht mehr wissen, um was es geht, wenn sie Kinder in die Welt setzen und «erziehen». 

Darin sind wir, das WCF und ich, uns einig, dass keine kriegstreibenden Präsidenten den Friedensnobelpreis kriegen dürfen. Ansonsten würde ich lieber darüber nachdenken, was passieren würde, wenn man einem oder einer erwachsenen Friedensaktivisten oder Friedensaktivistin den Nobelpreis verliehe. Das ist unsere Aufgabe, als Erwachsene an radikal alternativen Modellen zu arbeiten, für sie zu leben und einzustehen, mit einer kindlich reinen Aufmerksamkeit, Lebenslust und Lebenszugewandtheit. 

Übrigens tritt in der ersten Fassung des Dramas Der Turm von Hugo von Hofmannsthal im Schlussakt ein Kinderkönig auf. Er hat noch die Kindheitskräfte in sich, ist jedoch nicht mehr nur ein unschuldiges Kind, sondern auch ein vernunftgeleiteter Mensch. Er kommt in einer Zeit, als die Welt im Krieg unterzugehen droht, mit einer Kinderschar und weißgekleidet aus dem Wald und bringt Frieden in die Welt. 

Irgend so etwas scheint das WCF zu meinen mit der Idee, den Nobelpreis an die Kinder zu verschenken. Ich selber finde die Idee unausgereift.

Mich dünkt, am besten bekommt den Preis weder die unschuldige Welt der Kinder noch ein aktivistisches Friedensbüro, sondern ein schwerst mehrfach beeinträchtigter Mensch, der uns vorlebt, wie ein menschenwürdiges Leben gelebt werden kann. Wenn schon Extreme, dann bitte eins in diese Richtung.

Heute bin ich ein wenig ungehalten, ich merke es selber genauso wie du, wenn du das liest. 

Trotzdem, ich wünsche ein entspanntes Wochenende,

herzlich