«Das Erhabene in der europäischn Kunst sucht ihresgleichen.» – Dieser Satz kam mir eben beim Hören von George Gershwins Klavierkonzert in F-Dur, das er selbst am 3. Dezember 1925 in New York uraufgeführt hatte. So eine banale Musik, überall Angebote in die Tiefe, doch es folgt schlussendlich nichts anderes als Sprunghaftigkeit, Unkonzentriertheit, Klamauk, Show, Effekt.
Der us-amerikanische Maler und Philosoph Barnett Newman verfasste 1948 den programmatischen Text The Sublime is Now. In dieser Schrift attackierte er die europäische Tradition der Schönheit und wollte die Kardinalidee Platons durch seine, Newmans, Vorstellung des Erhabenen (the sublime) ersetzen. Das Erhabene war für ihn das Merkmal amerikanischer Kunst als einer unmittelbaren, transzendenten, existentiellen und ganz auf den Augenblick verdichteten Erfahrung, während er die europäische Kunst als dekorativ, narrativ unf traditionalistisch verunglimpfte.
Außerdem sollten Kunstwerke nicht mehr Objekte der Betrachtung sein (Europa), sondern Orte der Erfahrung (USA).
Und nun höre ich Gershwins dekorative Klaviermusik und vermisse bei ihm (wie bei so vielen anderen aus Übersee) das Eintauchen in die Tiefe.
Lieber Barnett Newman, hundert Jahre nach Gershwins Geklimper und achzig Jahre nach deinem Angriff auf meine Helden gilt nicht immer noch, sondern immer mehr, dass die Seinserfahrung des Erhabenen eine genuin europäische Kunsterfahrung geblieben ist, während ich in deiner demagogischen Rhetorik eines amerikanischen Neuanfangs nichts anderes als Hybris und ideologische Überhöhung erkennen kann.
Peinlich genug, dass Newmans Text bei seinem Erscheinen in der us-amerikanischen Kunstwelt eine Sensation war.
Und schade, wie leicht es heute europafeindlichen Ideologien gemacht wird, dank KI und WWW ein gediegenes Kunsterbe mit Füßen zu treten und als traditionalistisch und weltfremd zu attackieren.