
Diogenes in der Tonne, mit Alexander, suchend unterwegs mit der Lampe
Auf der Suche nach einem Vorbild bin ich bei Diogenes von Sinope (ca. 412–323 v. Chr.) gelandet. Seine radikal einfache Lebensweise beeindruckt mich: Er lebte in einem Fass und verzichtete auf jeglichen Besitz oder gar Luxus.
Dann hatte er ein bestechendes Selbstbewusstsein: Als Alexander der Große ihn besuchen wollte und sich freundschaftlich vor ihm hinstellte, habe er zu ihm gesagt «Geh‘ mir aus der Sonne!» Eine solche Begrüßung war für den großen Feldherren ungewohnt.
Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist die Erzählung, dass Diogenes öffentlich masturbiert habe – er habe damit auf die Natürlichkeit der sexuellen Bedürfnisse hinweisen wollen, sagt man (also nicht homo homini lupus, sondern homo = lupus). Vielleicht war Diogenes jedoch einfach nur der erste Exhibitionist des Abendlandes, der in der Öffentlichkeit leichter kam als in seiner engen Tonne. Heute wäre er ein Pornostar, aber das will ich nicht weiter vertiefen.
Vorbildlich finde ich seine Performance, wie er am helllichten Tag mit einer Laterne herumging und sagte «ich suche einen Menschen» – gemeint war einen wahrhaft tugendhaften Menschen. Leider ist nicht überliefert, ob er einen solchen Menschen fand. Ich befürchte ja, dass er keinen fand, der seinen Ansprüchen genügt hätte.
Also besteht weiterhin die Aufgabe, nach Vorbildlichkeit zu streben, damit Diogenes weiterhin eine Chance hat, einen «Menschen» zu finden, nicht nur so einen hochentwickelten Affen, wie du und ich (laut Diogenes) sind.
Gruß

