In meinen Buchverschließungen führe ich einen Schreibprozess zu Ende, der nicht im Sichtbaren bleibt, sondern einen Prozess der Verwandlung oder Selbstzerstörung durchläuft. Dadurch verändert sich meine Beziehung zu diesen Texten. Es gibt dazu 100 Fragen und mehr. Das Buch Meine Tage mit Goethe 1999, am 1. Jaunar des Jahres begonnen und am 31. Dezember beendet, enthält 365 Einträge, aufgeteilt auf die einzelnen Tage dieses Jahres. Im Jahr darauf entsteht das Buch Meine Tage mit Nietzsche 2000 anläßlich des hundertsten Todesjahrs des Philosophen. Seine Umwandlung ‚funktioniert‘ nach den gleichen Regeln wie das Goethebuch. Die Bücher werden in den Folgejahren bearbeitet. Inzwischen sind sie in öffentlichen Aktionen Seite für Seite verklebt worden. Die Arbeit am Nietzschebuch habe ich inzwischen vollständig beendet, die am Goethebuch geht weiter. 2001 kommt zum zweihundertsten Todesjahr des Dichters Novalis das Buch Meine Tage mit Novalis 2001 hinzu. Auch dieses Buch ist noch in Bearbeitung. Im Gegensatz zum Buch über Goethe ist es noch nicht einmal verklebt. Es wird verschlossen werden, wenn ich den Zeitpunkt dafür für gekommen halte. Auch Schreiben kann man betreiben wie eine Aktionskunst.
Neben diesem über drei Jahre angelegten Projekt gibt es einzelne Aktionen, in denen ich Texte verschließe.
Meine Tage mit Goethe 1999
Goethes 250. Geburtsjahr wird am Schreibtisch von Albert Vinzens im Stillen gefeiert. Tägliche handschriftliche Einträge in einen Blindband des Schwabe Verlags, Basel, gedenken des Werks des Dichters. Das Buch ist inzwischen Seite für Seite zugeklebt, Exzerpte daraus werden weiter bearbeitet. Das Buch klingt inzwischen wie gut getrocknetes Holz.
Meine Tage mit Nietzsche 2000
Das ebenfalls verschlossene Buch über Friedrich Nietzsche beschäftigt sich vorwiegend mit dessen Gedicht Ecce Homo. Während einer achtstündigen Performance 2004 in Basel wird es Seite für Seite verschlossen. Sieben Seiten mit Paraphrasen, die während dieser Aktion entstanden sind, werden 2008 auf dem Kopf der Herkulesstatue über der Stadt Kassel verbrannt.
Meine Tage mit Novalis 2001
Zweihundert Jahre nach Novalis’ Tod gedenkt Albert Vinzens des Poeten. Damit enden die Buchverschließungen und damit ein Prozess von über tausend Tagen. Umfangmäßig das größte der drei Verschließungsbücher, ist Meine Tage mit Novalis 2001 auch 18 Jahre nach seiner Niederschrift noch in Arbeit. Der Entschluss, es bei drei Verschließungen zu belassen, entspringt weniger dem Gedanken der Dreigliederung als vielmehr der Einsicht, bei dieser Arbeit sonst langsam verrückt zu werden.
Erscheinen und Verschwinden lassen
Zwei Freunde arbeiten sieben Tage im Kulturhaus Unternehmen Mitte im Zentrum von Basel. Täglich sieben Stunden. Das Publikum betrachtet ihre Arbeit durch das große Schaufenster der ehemaligen Bank–Schalterhalle. Peter Dietz zeichnet auf einer Leinwand (300 x 200 cm), die er jeden Abend weiß übermalte. Albert Vinzens schrebt hinter ihm am PC, der mit einer Laufschrift im Schaufenster verbunden ist. Seine Texte leuchteten dort einmal kurz auf und werden gelöscht.