«Vergleich dich mit anderen»
Marshall Rosenberg erlaubte sich immer wieder den Spaß, den Leuten zu sagen, wenn sie unglücklich sein wollten, sollten sie sich mit anderen vergleichen. Frauen sollen sich im Spiegel anschauen und an irgendein mediengehyptes Supermodel denken (am besten gleich auch ein Foto, ausgeschnitten aus einem Boulevardblatt, neben dem Spiegel hochhalten und mit dem Gesicht im Spiegel vergleichen). Künstler mögen es mit Novalis oder Schubert oder Basquiat versuchen, die alle drei mit 28 Jahren ein Werk vollendeten, dessen Größe alles, was sonst Künstler in einem langen Leben nie erreichen, schon in ihren Zwanzigern hinter sich hatten.
Ich kann mich aber auch mit meinem Bruder vergleichen, einer ehemaligen Schulkollegin, die, so dumm wie sie in der Schule noch war oder zu sein schien, Karriere und Kohle gemacht hat. Es geht auch (und das besonders gut) mit meinem lieben gehassten Nachbarn, dessen Garten oder Frau oder Schubkarre schöner ist als mein Garten, meine Frau oder meine Schubkarre.
Ich kann dieses Unglücksspiel im Spiegel der Vergleiche auch fallenlassen. Dann entsteht ein wunderbarer Kraft- und Freudemoment. Da wachse ich nicht nur über mich selbst hinaus, sondern auch zu mir hin und ich entdecke mich selbst in meiner Unvergleichlichkeit.
Das war natürlich der geheime Wunsch von Marshall Rosenberg, wenn er die unglücklichen Leute in seinen Seminaren glücklich machen wollte und sie sozusagen spaßeshalber zu Vegleichen anstachelte. Denn es sind Stachel, diese verdammten Vergleichereien, Kuckuckseier im Nest der Seele. Wir haben sie nicht nötig, vorausgesetzt wie wollen mit uns selbst im Frieden leben und mit allen anderen dazu.