Zu Begriffen gibt es Begriffsprofile. Werden diese tief genug in den Ozean der Wahrheit versenkt, wird ihre kosmische Dimension erkennbar. Natürlich zeigt sich dies in besonderer Weise bei Worten wie etwa Liebe, Ehrfurcht, Glück, Zufall oder Leben.
Doch auch Begriffe kleineren Umfangs eignen sich sehr für das Erstellen entsprechender Begriffsprofile, beispielsweise Worte wie Spaß, Tollkühnheit, Erscheinung oder ein Epochenbegriff wie ‹Biedermeier›. Wer denkt beim Wort ‹Biedermeier› nicht an das Bürgertum mit seinen gefassten Bilderrahmen und kitschigen Bildern, an schmalbrüstig unerotische Szenen des kleinen Alltagslebens voller Unbedeutendheiten? Wer hat nicht den Eindruck, sich für diesen Begriff nun wirklich nicht genauer interessieren zu müssen? – Ich hatte lange diesen Eindruck, so lange, bis ich Adalbert Stifters Büchern begegnet bin. Seither habe ich einen Heidenrespekt vor dem ‹Biedermeier›, dem Stifter zugeordnet wird.
Wer in den gängigen Kategorien über ‹Biedermeier› denkt, ist selber überaus bieder und hat den Begriff wie ‹Biedermeier› noch nicht wirklich auf den Begriff gebracht. In Stifters Werken widerfährt den Lesen neben Volkstümlichem, Gerahmtem, neben Nettigkeiten und Nebensächlichkeiten und Langatmigkeiten schnell einmal und der Möglichkeit nach hinter jedem Satz ein Abgrund, der als Verlust jeder Mitte, als Panik und großer Schmerz die Seele ergreift. Stifters eigenes Leben war voll von Abgründen umstellt, so führte er einerseits ein abgezirkelt biederes Leben, andererseits setzt er seinem Leben ein aktives Ende, indem er mit einem Fleischermesser selbsttätig die eigene Halsschlagader durchschnitt und verblutete.
Also, die Wahrheitssuche in uns verlangt das Ausloten der Begriffe, da kommt Erstaunliches heraus. Das Wort ‹Biedermeier› bekommt dann eine ganz andere, unendlich tiefe Bedeutung.
Andere Begriffe wie etwa der Begriff ‹Goethezeit› lösen sich bei einer Prüfung in Wohlgefallen auf, denn es gab eine solche Zeit schlichtweg nie, weder zu Goethes Lebzeiten noch postum.
Gutes Geschick beim Klären von Begriffen, vorzugsweise solchen, die für geklärt galten,
herzlich