Wie an anderen Arbeitstagen auch, habe ich vorhin in einer Pause dieses unscharfe Foto vor mich hingestellt und vis–à–vis von diesem Kleinkind meine Trauma-Schüttelübung gemacht.
Auf dem Bild ist der kleine Hermann Kükelhaus abgebildet.
Was für eine Energie doch in dieser Abbildung drin steckt! In meinem Buch über Hermann Kükelhaus, das hoffentlich noch in diesem Jahr erscheint, habe ich die Magie, die ich in dieser Fotografie spüre, zu beschreiben versucht.
Zu diesem Foto gehört dazu, dass 20 Jahre später dieser Mensch schon tot war. Er wurde, wie Millionen andere junge Menschen, für irgendwelche Ideologien von irgendwelchen Ideologen nicht geopfert, das wäre ein viel zu moderater Begriff für diesen Wahnsinn, er wurde von ihnen als Soldat in den Tod gejagt. Für die jungen Menschen (ich sage bewusst «Menschen», denn gegen Ende des Zweiten Weltkrieg wurden auch Millionen Frauen als Soldatinnen in die Kriegshandlungen einbezogen) gab es damals kein Vor und Zurück mehr, denn wenn sie weiter vordrangen, wurden sie in den Schlachtlinien aufgerieben, wären sie hingegen zurückgegangen, hätten sie ihre eigenen Leute als Deserteure erschossen.
Als dieser Krieg zu Ende war, gab es unter den Überlebenden einen Konsens, wie verschieden sie den Krieg selber auch bewerteten. Alle waren der festen Überzeugung, dass es so etwas nie wieder geben dürfe. Einige Jahrzehnte lang hat dieser Konsens als politische Kraft weltweit gewirkt.
Die Gegenwart könnte uns verzweifeln lassen, weil dieser Konsens ins Wanken geraten ist. Doch unsere Zeit birgt auch eine Chance, denn jede*r Einzelne steht heute vor der Wahl, dem Krieg das Wort zu reden oder auf andere Strategien zu vertrauen.
So gesehen sind diese Tage ein Geschenk.
Der kleine Hermann übrigens schaut uns zu, wie wir wählen – ihm ist das alles andere als gleichgültig.
Herzlich