Am 8. November 1976 sendete die ARD-Tagesschau im Jahresrückbllick einen Beitrag über die Terroristin Ulrike Meinhof. «Haben wir sie ausgehalten, mit Schmerzen ausgehalten – oder nur einfach eliminiert, ausgelöscht?» So die fragende Stimme des Sprechers, der unmittelbar danach einen Satz raushaute, der relevant war damals und relevant ist heute: «Der politische Aggregatszustand einer Gesellschaft misst sich nicht zuletzt an der Bereitschaft, die Beweggründe und Zwänge derjenigen zu prüfen, die außerhalb der Norm geraten sind, und vielleich die Wahrheit auch noch in der Verfehlung zu erkennen.»
Das Fragen nach Wahrheit und Erkenntnis ist Jahrtausende alt, in der Philosophie, bei Generälen und Staatschefinnen, bei Aschenputtel und auch sonst im Leben.
In der Gesellschaft unterliegen solche Fragen der Kontrolle. Es ist nicht so, dass jede und jeder eine Erkenntnis oder Wahrheit zum Thema X,Y, Z formulieren darf.
In der Geschichte sind Zeiten dann besonders haarsträubend, Demokratien dann besonders zerstörungsanfällig, wenn Menschen, die «außerhalb der Norm geraten sind», nichts mehr sagen dürfen, weil die Angst vor Kontrollverlust zu groß geworden ist.