In meinem Heimatdialekt sagen wir manchmal, wenn wir irgendwas daherreden und spüren, dass die Worte nicht den Gedanken ausdrücken, den wir haben: «Waisch wiani maina!?» Das ist dann die Aufforderung, sich beim Zuhören besondere Mühe zu geben und hinter die Worte zu lauschen, um ihren eigentlichen Sinn zu verstehen.
Seit ich meine Teebeutelweisheiten etwas genauer lese, scheinen sie mir regelmäßig zuzurufen: «Waisch wiani maina!?»
So auch heute: «Entscheide Dich im Zweifel für Mitgefühl.» Wieder dieses In-Beziehung-Setzen von Wörtern, die sich so nicht aufeinander beziehen lassen. Weder Entscheiden und Zweifel, noch Entscheiden und Mitgefühl passen zusammen, auch Zweifel und Mitgefühl tun es nicht. Was gemeint ist, kann ich trotzdem herauslesen, nämlich beispielsweise dieses: Wenn Du vor jemandem stehst und ihm am liebsten eine kleben würdest, entscheide dich, es nicht zu tun und ihm für das, wofür du ihn ohrfeigen möchtest, Empathie zu schenken, ihn also nicht zu schlagen, auch Dein Wille zuzuschlagen tief in den Startlöchern steht, sondern Verständnis für seine Situation aufzubringen, die vermutlich so dreckig ist, dass er sich so verhalten muss, selber aber im Grunde anders mit dir umgehen möchte. «Waisch wiani maina!?»
Dass man sich für Mitgefühl oder Empathie nicht per Knopfdruck «entscheiden» kann, sondern dafür hartnäckig üben, sich permanent überwinden und selber gut kennen muss, das unterschlägt mein heutiges Teebeutelsprüchlein prompt. Es suggeriert Handlungsmöglichkeiten, wo wir keine haben. Vorerst jedenfalls nicht. Ist diese Suggestion schlimm? Vielleicht schon, denn sie verhindert das Üben.
«Übe Dein Mitgefühl», das hätte mir besser gefallen, da wäre ich an der richtigen Straßenecke abgeholt worden. Füreinander Mitgefühl üben. Jetzt. Das würde uns miteinander weiterbringen.