Hattrick

Vorgestern und gestern ging es in den Tagesgedanken um die Frage nach meinem eigenen Tod. Wie komme ich auf ein so abwegiges Thema? Sollte ich es nicht schleunigst verlassen und lieber vom Frühling schreiben, der überall an die Sinnestore klopft und mich glücklich macht? Nein, heute kommt der Hattrick, ich bleibe erst recht beim angeschnittenen Thema. Doch diesmal schieße nicht ich selber das Tor, sondern gebe nur den Pass dazu. Im Buch Also sprach Corona schreibt der Autor Wilfried Nelles auf Seite 28 vom Sinn, den er im Nachdenken über den eigenen Tod erkannt und – an-erkannt hat.

«Es tut gut, mir das Nahen des Todes klar zu machen, sehr gut sogar. Anfangs war ich ein bisschen erschrocken, ich habe immer sehr gerne gelebt und tue dies auch heute noch. Ich wusste zwar, wie alt ich bin, und hatte auch kein Bedürfnis, mich jünger zu machen oder wieder jung zu sein, aber gefühlt habe ich mein Alter nicht, und so gelebt habe ich auch nicht. Jetzt sehe ich die Endlichkeit meines Lebens, und wenn ich mich darauf einlasse, werde ich seltsamerweise ganz ruhig. Ich schreibe ‹seltsamerweise›, weil die meisten sich das nicht vorstellen können. Eigentlich ist es aber nicht seltsam. Wenn man einer Tatsache nicht ausweicht, sondern sich ihr offen stellt, wird man immer ruhig. Das gilt auch für den Tod.»

Seltsam oder nicht, es ist zur Zeit das Thema, das von allen Seiten gleichzeitig kommt und in seinen Extremvarianten durch Silicon Valley und die Reaktionen auf Corona derzeit Furore macht, nämlich durch den Plan oder das Ansinnen, den Tod abzuschaffen. Das ist, wenn ich mein eigenes Leben betrachte, lebensfeindlich, auch wenn ich, wie etwa Goethe oder Nikos Katzanzakis, gerne davon träume ewig zu leben, weil Leben einfach zu schön ist, wenn man gesund und geistig interessiert und mit einem menschlichen Herzen ausgestattet ist. 

Rilkes Buch über Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, in welchem das qualvolle Sterben eines ›richtigen‹ Todes geschildert wird, geht mir genauso an die Nieren wie meine eigenen, vermutlich weniger poetischen, Aufzeichnungen über den Tod meines Freundes Walter. Hier den Mutigen zu geben, der über solche Zustände und Ängste erhaben sei, wäre ein Missverständnis. Für heute habe ich ja nur Nelles zitiert, der bei der Frage nach seinem eigenen Tod angekommen ist. Irgendwann kommen wir da immer an – meistens vermutlich unvorbereitet, weil wir der Sache zu lange ausgewichen sind.

Mit Gruß