Beim Gießen des heißen Teewassers über die teilweise leicht eingerollten Blätter meines koreanischen Grüntees fiel mir auf, wie die meisten Blätter auf den Boden sanken, sobals sie sich mit der Nässe sattgesogen hatten, während andere obenauf blieben. Durch verschiedene Schwenktechniken probierte ich, ob es möglich wäre, alle Blätter unter die Wasseroberfläche zu bekommen. Gelang aber nicht, gleich wie geschickt ich es auch versuchte.
Da kam mir die Frage, wie dieses Phänomen zu erklären sei. Und erschrak über die Einsilbigkeit meiner Gedanken, denn ich fand erstens sofort eine Erklärung, genährt aus einer pseudowissenschaftlichen Mischung aus Biologie und Physik, und zweitens war ich damit auch fast gleich schon zufrieden. Dann schaute ich das eine schöne große Blatt, das partout nicht untergehen wollte, genauer an und meinte, es habe kurz gelächelt. Ah, dachte ich dann, in meinem Gedankenhaushalt etwas ins Schlingern kommend, ah, du machst das extra?! Du könntest tauchen, wenn du wolltest, aber du tust es nicht? Sind Blätter also auch Individualisten, wie Pflanzen, etwa Bäume, wie inzwischen durch Bestsellerautoren hinlänglich ‹bewiesen›?
Plötzlich glänzte mein koreanischer Grüntee in nochmals einem ganz anderen, farbigeren Licht, geschmeckt hat er ja immer schon, aber jetzt hatte er plötzlich und zusätzlich noch so etwas ganz Intimes, ein Blattleben individueller Lebensäußerungen. Mein Denken atmete durch.
Übrigens: «Mein koreanischer Grüntee», was ist das denn? Ich habe ihn im Teeladen gekauft, die Dose, in die er abgefüllt wurde, hatte ich von zu Hause mitgebracht. Aber ist er deshalb schon mein? Klingt nach einer Vertrautheit, die vielleicht nicht so recht zum Produkt passt – aber halt, seit heute morgen passt genau das zu diesem Tee! Die obenauf schwimmenden Blätter haben ihn dazu gemacht.
Wohl bekomm’s, herzlich