Am Gartentor beim Hinaustreten auf den Gehweg ruft jemand von der anderen Straßenseite meinen Namen. Ich hätte ihn nicht gekannt, obwohl wir uns schon oft gegrüßt haben und ich ihn sonst auf diese Distanz durchaus erkannte. Doch jetzt, als ich auf seinen Ruf hin aufschaute, sah ich, wer er war und sah auch weshalb ich ihn nicht wie sonst gleich erkannt hatte. Er war sonst nämlich immer mit einem Bart mit verschiedensten Rastazöpfchen und Glöckchen und Perlen dran verziert gewesen. Jetzt sah er aus wie ein freundlicher, fast etwas langweiliger Herr.
«Na, wo ist denn der Bartschmuck geblieben?» frage ich und er antwortet grinsend: «Corona!» Er habe schlichtweg die Zöpfchen nicht unter der Maske verstauen können. Und wenn er sie habe rausgucken lassen, sei kein Maskenschutz mehr gewährleistet gewesen, weil die Maske überall abgestanden habe.
Wir reden über Schule und Maßnahmen und Präsenzunterricht von Abschlussklassen und Mehrarbeit und alles, was mich wie ihn betroffen hätte, würde ich nicht vor fünf Jahren meine Dozententätigkeit aufgegeben haben.
Beide merken wir eine Schwere, erst am anderen, dann an uns selbst. Wir wissen kaum mehr, was es zu reden gäbe und versichern uns unserer gegenseitigen Überzeugung, dass wir befürchteten, aus der Sache werde nichts Gutes und zwar deshalb, weil die Menschen nichts lernten und wohl auch nichts lernen wollten, so nach dem Motto: Das kann so nicht mehr weitergehen, aber wenn das so weiter geht, geht das nicht mehr so weiter. Unser Gespräch wurde immer langsamer, bis es ganz versandete. Immerhin waren wir so ehrlich mit unseren Worten, dass wir sie ausgehen ließen, als es nichts mehr zu sagen gab. Dann standen wir uns noch eine Weile still gegenüber, wünschten uns dann alles Gute wünschten und gingen unserer Wege.
Zu Hause hörte ich von Berenike, sie habe gerade mit einem jungen Menschen am Telefon gesprochen. Er habe sehr realistische Worte zur gegenwärtigen Zeit und sehe trotz aller Schwierigkeiten klar die Möglichkeit, dass eine neue, andere und auch bessere Zeit komme, weil es ganz objektiv viel mehr Demokratie auf der Welt gebe als früher und weil unendlich viele kleine und große, mutige und erfolgreiche Initiativen zum Wohl einzelner Menschen am Start seien und etwas Neues von uns Menschen wollte.
Gruß