In der Gesellschaft, im Freundes- und Familienkreis, mit den eigenen Eltern und Kindern, in der Beziehung, überall drohen Widerlager, in denen die einzelnen hängenbleiben. Es ist zum Aus-Der-Haut-Fahren. Und es ist auch eine Freude, denn, wie Hölderlin sagte, wo Gefahr ist, ist das Rettende auch. Und retten kann mich nur noch die Besinnung auf mich und meine mir gegebenen Möglichkeiten, die ich in mir wachsen lassen muss, um im rechten Moment aus ihnen schöpfen zu dürfen.
Ein Freund erzählte, dass er sich nicht habe impfen lassen, während sich seine Frau zur Impfung entschlossen habe. Er beschrieb Veränderungen an ihr bis in die Gesichtszüge hinein. Irgendwie erkenne er sie seither nicht wieder. Er wisse nicht, wie sie es weiter miteinander schaffen würden. Nur die Liebe könne sie noch retten. Damit hat er ins Schwarze getroffen.
Eine Freundin gestand, dass sie sich habe impfen lassen. Ihr Vater sei ein schwerer Risikopatient, sie wolle ihn weiterhin besuchen dürfen. Ihre Lieblingstante sei an der Krankheit gestorben, weil sie nicht geimpft gewesen sei. Deshalb ihr Entschluss zur Impfung, auch wenn ihre Freunde einen anderen Weg gingen. Nun fühle sie sich einsam und wisse nicht, wie sie wieder Anschluss finde.
Die Liebe muss nicht daherkommen wie in einem Kinofilm. Es genügt, wenn ich die Entscheidungen meiner Freunde, Kinder, Eltern, ja meines Lebenspartners oder meiner Lebensgefährtin nicht nur akzeptiere, sondern ihnen Respekt zolle und sie so, wie es mir möglich ist, positiv trage. Diese Liebe tut heute not. Doch genau und nur diese Liebe bringt uns alle weiter und lässt uns Menschen bleiben in einer Zeit, in der viel Unmenschliches geschieht.