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NOVALIS zum «Geniebegriff»

Der 24. NOVALIS-Clip ist da, siehe auf dieser Website im Link «Videos».

Der Text ist brandwichtig, gerade deshalb, weil heute von den KI-Strategen verbreitet wird, dass der alte, vor allem auf den weißen europäischen Mann zugerichtete Geniebegriff bald aus der Diskussion herausfallen und als chauvinistisch ad acta gelegt werde.

Der Denk-, beziehungsweise Überzeugungshintergrund dieser, wie ich sie hier einfach mal nenne, Strategen ist dieser: KI deckt in Zukunft alles komplett ab, was bisher nur Genies vorbehalten war.

NOVALIS Sichtweise auf das «Genie» bietet eine Denkalternative. Hier mein Text, in welchem ich zwei mir sehr nahegehende NOVALIS-Zitate bearbeite: 

Blüthenstaub: «Genie ist das Vermögen, von eingebildeten Gegenständen wie von wirklichen zu handeln und sie auch wie diese zu behandeln.»
Die Kinowelt als Abbildnerin eingebildeter Welten, die so real ihre Welt abbilden, das die Realität daneben sich beleidigt anfühlt. Im Internet findet ein so perfekt gestalteter eingebildeter Transfer von Wirklichkeit statt, ein Sog von in Sprache verkleideten Sprechblasen, da hat daneben alle Echtheit und alles Genie ein Ende. Muss noch anderes her, um Kraft des Genies zu wirken! Etwa Liebe im Sinne Bubers oder auch Novalis’, wobei ich bei letzterem nachschauen müsste und bei Buber durch den Kalender im Klo auf einem bestimmten Stand bin, aber sonst denn doch glaube: «Der Mensch vermag in jedem Augenblick ein übersinnliches Wesen zu sein.» Ohne weitere Vorbereitung ein solcher Satz (aus Blüthenstaub 22), das ist Glaube, das ist Drinstehen in einem Strom, der fließt wie ein Ganges oder der Amazonas, eine Urbewegung, gleich was für Wetter und gleich welche Katastrophe sonst in der Welt, auf der Erdoberfläche. Novalis der Gedankensinn-Reiniger, der Gesetzesübertreter und Gesetzgeber, der Stollenassessor vor Ort, vor dem Ort der Sprache, Gedanke an Gedanke, alles in Poësie getaucht, das ist Novalis, das ist das Leben in einem undefinierbaren Werk.
Der Romantiker definiert nicht und lässt sich nicht definieren, er schwimmt auf den leichten Wellen eines Stromes. Leben entsteht, Leben vergeht, es pulsen die Felder, es lösen sich Knoten, kein Leben erlischt ohne Grund.

Einen schönen Tag, 

Lange schon sichtlich europamüde

Kaum zu glauben, dass ich untenstehende Zeilen vor 25 Jahren geschrieben habe. Mein damaliger Blick auf Europa hat Ähnlichkeit mit dem heutiger Menschen, die so was von ernüchtert und müde in betreffs Europa geworden sind, dass es weh tut wie ein Körper nach eine schlecht vorbereiteten Ironmanchallenge. Die Zeilen bilden das Lesematerial für den 23. NOVALIS-Clip. Mir gefallen sie über die Maßen, auch wenn ich nicht nachvollziehen kann, wie ich dazu kam, sie niederzuschreiben. Es ist der 60. Tag von 365 Tagen mit NOVALIS, ich notierte den Eintrag am 1.3.2001 in Kassel:

«‹Bildung des Geistes ist Mitbildung des Weltgeistes – und also Religion. Der Geist aber wird durch die Seele gebildet – denn die Seele ist nichts als gebundener, gehemmter, consonirter Geist› (Brouillon, Nr. 407) und also, siehe ebenda, ‹indirekct religiöse Pflicht (Kinderreligion, Kindermoral etc.).›
Es muss alles Poesie werden, sie bildet und beseelt und begeistert. Und: ‹Der Poët versteht die Natur besser wie der wissenschaftliche Kopf› (ebenda, Nr. 1093).

Ist das hier denn Bildung zum Weltgeist? Viel, und oft und oft will mir scheinen: alles steht zur Disposition – nur nicht, ob ich ins Paradies der ‹Poësie› eintreten wollte oder nicht.
Verdunkelt und verschlossen sind die Räume, die Kiste ist zu. Eine Sargsituation hat sich über Europa gelegt, mit Nachdruck und mit Gewicht, mit Kälte und abgekühlter Berechnung, wie es scheint. Andererseits sind Kisten und Büchsen geöffnet, jeder Mensch eine moderne Pandora, in der Selbstverschätzung, dass Giftschränke ein kurzweiliger Zeitvertreib seien, reden sie (wir) über alles, machen die unaussprechlichsten Dinge zum Salongeplauder, erheben überall und zu jeder Zeit das laute Wort, bringen ihr Gedachtes mit Werve ins Bild, ein angenehmer Kitzel, verwalteter Horror.
Abgenabelt vielleicht sind die Dinge von uns und wir damit von ihnen. Statt dass Lockerung und Öffnung für Geist und Welt, aus denen neuer Geist sich bildet, versucht wird, kommt etablierte Verhärtetheit zum Zug, und locker und gekonnt wirkt sie daher, die Menschen tun so rum, s’hat eine Art.
Abgenabelt, die Kiste ist zu, und das Wort in seine Beliebigkeit entlassen.

Als das Fehlen von Poësie als Verlust bemerkt wurde, als sich über die Hässlichkeit in Welt und Mensch Schmerz und Sehnsucht nach Veränderung darlebte, bewirkte der Poësieverlust das Validum Poësiae. Durch die Abnabelung, durch die gekappte Schnur ist die Sehnsucht weg, weg ist das Bild einer (zeitweiligen) Rückkehr. Dass das verständliche Mysterium ‚Wort‘ vernutzt, dass dem Schutz vor Taten und Bildern, Körpern und Körperberuhigungen, die Verschließung derselben folgte, mag uns in ihren vergewaltigenden Auswirkungen aufstoßen, die Herde der Entzweiung und Abnabelung bleiben uns dabei fremd. Denn: in der poësielosen Welt lebt es sich besser, in mancherlei Hinsicht.»

NOVALIS

NOVALIS (1772-1801)

Heute habe ich die fünfzehnte (15!) Folge über NOVALIS gefilmt. Ich lese jeweils einen bis drei Einträge aus einem Buch, das ich vor einem Vierteljahrhundert von Hand geschrieben habe. Das was ich jeweils lese, filme ich mit dem Handy. NOVALIS weiterlesen

Mensch werden

«Mensch werde wesentlich».

Das ist die Schlusszeile eines Gedichts von Angelus Silesius. Wenn nichts mehr so recht gelingen will und uns in Europa der Krieg im Genick sitzt und sich die Angst in unsere Hirnwindungen ritzt, dann ist die Umsetzung dieses Spruchs besonders schwierig. Mensch werden weiterlesen

Viriditas

Gestern im Buchenwald hinter dem Haus. Mann, beim Wort «Buchenwald» wird mir doppelt anders, einmal wegen dem KZ im Norden von Weimar (Thüringen), das kommt mir natürlich auch immer in den Sinn bei diesem Wort. Dann aber blüht gerade ma Viriditas weiterlesen