Ein neues Video ist im Umlauf, elf Minuten Musikkrimi und atemberaubende Bilder dazu, alles inszeniert. Ich will den Star, dessen Genius da geuldigt wird, nicht nennen, sonst denkt ihr, er sei mein Favorit.
Es ist einer der unüberbietbaren jungen russischen Pianisten, die die Welt seit über hundert Jahren nicht gerade wie am Fließband, aber doch mit zuverläßiger Regelmäßigkeit auf den Weltmarkt katapultiert, vielleicht der genialste von allen. Und schon sagen sowohl die Fans wie die Kritiker, er werde immer mehr eine Dostijewski-Figur, ich dachte auch schon an Rasputin, das ist natürlich gewöhnungsbedürftig, eine solche Figur am Flügel das zarteste Adagio anschlagen zu sehen beziehungsweise erklingen zu lassen.
Der Held dieses Videos sitzt im Studio am Fazioli-Flügel, düstere Stimmung, im riesigen englischen Kamin ein verzehrendes, großzügiges Feuer, über den Boden verteilt zerknüllte Papierfetzen und die wertvollen Wände der Villa mit Papieren voller Noten verhängt. Das Genie mitten in der Arbeit, dann plötzlich die Idee nach draußen zu gehen und dort stapft die von Unruhe getriebene Figur in schweren Stiefeln und mit fanatisch aufgerissenen Augen durch die Natur, während die Musik immer weiter geht.
Es ist ungerecht, aber ich merke, wie ich Dostojewskis Helden, diese armen Menschen ohne Hoffnung, gegen den jungen Star in Schutz nehme und für einen Moment denke, na, Dostojewskis Fugren würdest Du ähneln, wenn das Zimmer unbeheizt und voller Wanzen und der wunderschöne Flügel völlig verstimmt wäre. Wo nimmst Du dieses Feuer her, wo die feinen Vorhänge, diesen bombastischen Flügel?
Ich weiß nicht mehr in welchem Roman Dostojewski einige seiner armen Leute zusammenkommen und einen heißen Tee trinken lässt. Nicht für den Herren zu arbeiten und die Zeit für einen Tee haben, das war in dem Roman schon Luxus pur. Und ich erinnere mich, wie die von diesem Moment Euphorisierten davon träumten, ein Stück Kandiszucker zu haben, das sie untereinander aufteilen und in ihre schmutzigen und kaputten Teetassen schütten würden.
Es ist ein weiter, ein sehr weiter Weg bis zu diesen Figuren, fürwahr.