Groß wie die Stille

Die Sonne drang zwischen den Bäumen hindurch und an manchen Stellen auf der Wasseroberfläche des von Grün umstellten kleinen Sees gab es größere Lichtpartien, auf denen sich wärmende Sonnenstrahlen zu ganzen Nestern wohlig warmen Lichts zusammenfanden. Wir saßen ohne Worte nebeneinander auf einer Holzbank, deren Sitz- Rückenlehnenenden mit stabilen Flacheisen ausgerüstet waren, die, inzwischen fast nicht mehr sichtbar, direkt in die damals noch schlankeren zwei Bäume links und rechts der Sitzgelegenheit hineingeschlagen worden waren und beinahe vollständig in den Stämmen steckten. Das hört sich, so nüchtern und faktisch dahererzählt, brutal an, doch die Bäume legten mit den Jahren sanft ihre Rinden um die eingetriebenen Eisen drumherum, wie geduldige Plastiker, und das Bänkchen zwischen den kerngesund emporwachsenden Bäumen hatte etwas Einladendes an sich und verbreitete ein große Ruhe.

Vor uns lag der stille kleine See, vor hundert Jahren durch den Abbau eines damals etwa vierzig Meter hohen Basaltkegels entstanden, dessen Gestein für den Eisenbahnbau abgetragen worden ist. Hätten wir das nicht gewusst (eine Tafel verriet die Entstehungsgeschichte am Eingang der Idylle), wäre uns die Landschaft wie ein Stück unberührter Natur vorgekommen, alles war liebevoll ineinandergefügt, die Details gekonnt aneinandergeschmiegt.

Auf dem ruhigen Wasser, der Länge nach hingestreckt und völig reglos daliegend, sonnte sich ein Frosch vor unseren Augen. Durch die nach hinten gedehnten langen Froschbeine, vor allem aber durch das auf seinem Körperchen ausgebreitete Sonnenlicht wirkte er übergroß, wie durch einen Feldstecher angeschaut. Die Zufriedenheit und das Einssein mit der großen Stille, die ihn umgab, breitete eine Aura über die an sich unauffällige Erscheinung. Wir hatten Freude am Anblick des Frosches, der mit seiner fröhlich lustvollen Seele den halben See zu umbreiten schien.

Dort wo die Infotafel steht, hörten wir Schritte, Menschenschritte. Diese Schritte, das Laute, Heftige, Aufgeregte gehörte nicht zur bisherigen Stimmung. Vorne ging ein Mann, abenteuerlustig mit den Augen flackernd, als er bei uns vorbeiging und fröhlich grüßte, hinter ihm eine kaum bekleidete Frau, schön und sich der eigenen Schöhnheit bewusst wie er. Wenige Meter neben uns ließen sie lachend und hektisch die Kleider fallen. Was jetzt kam, hatten sie sich lange schon vorgenommen, zwischen dem Entschluss und seiner Ausführung hatte es wohl keine weiteren Gedanken mehr gegeben. Mit einem Schrei sprangen sie kopfüber ins an diesem Morgen wahrlich noch ziemlich kalte Nass. Entsprechend ausholend und prustend waren die Ruderbewegungen, die nun folgten. Der Lärm griff wie ein Krieger in die Stille, die sich auf einen Schlag zurückzog.

Der Frosch – längst auf und davon, wir sahen noch, wie er sich mit kräftigen Zügen seiner wach gewordenen Beine pfeilschnell in die Tiefe des Sees bohrte, in der er für unsere Augen unsichtbar wurde. Auch wir, eben noch – wie anfänglich auch immer – ein Teil des ganzen Geschehens, ließen den Ort hinter uns, denn es gab ihn nicht mehr, auch wenn die zurückgelassene Bank als ein verlassener Teil der Landschaft vom Geschrei der glücklichen kleinen Badegesellschaft sichtbar zwischen den sie einklemmenden Bäumen weiterhin ihr Stranddasein fristete.

Wartend auf mehr Wärme, damit auch ich bald mal irgendwo in ein einladendes Stück Wasser springe, grüße ich, 

herzlich