Ja, ja, dieser Journalismus

Noch hundert Jahre Zeitungen und die Sprache sei tot, meinte Nietzsche vor über hundert Jahren. Hat er recht gehabt? Ja, ja, irgendwie schon, aber, ne, ne, ne. ne, so ganz dann auch nicht. Er hatte ja auch lautstark verkündert, Gott sei tot. Wer ganz sicher inzwischen tot ist, das ist Nietzsche. Also, bitte, Friedrich, nimm das Maul nicht zu voll.

Friedrich Nietzsche hatte es gut, er hat noch keinen Claas-Hendrik Relotius gekannt. Glück gehabt. Und, was macht Relotius eigentlich heute? Er wurde ja recht früh aus der Bahn geworfen, anders als der andere, wirklich geniale Fälscher, Wolfgang Beltracchi, von dem man nicht nur lernen kann, wie man die Welt bescheißt, sondern auch, wie man ihr zur bereits bestehenden großen Kunst noch großartige Kunst hinzuschenkt. Und vor allem, wie man sich im richtigen Moment aus der Affäre zieht, indem man sich als Fälscher der Öffentlich preisgibt. Beltracchi hat dies mit der Preisgabe seines kompletten illegal erworbenen Reichtums getan. Hut ab, Er ließ sich vom Finanzamt, wie er Reinhold Messner gegenüber einmal erwähnte, «auf Null zurückschießen», nobel irgendwie und nicht unbedingt das bevorzugte Verhalten von Leuten, die mehrere Villen, Weinberge, Swimmingpools besitzen und eine unendliche Freiheit genießen.

Zurück zu Relotius und dem Journalismus. Haben wir heute noch Nachrichtenjournalismus? Informationsjournalismus? Investigativen Journalismus? Wahrheitsjournalismus? – Vor allem haben wir Unterhaltungsjournalismus, vielleicht auch gewollten oder ungewollten Einschüchterungsjournalsmus. Und vor allem haben wir Leute, die viel zu schnell schreiben und viel zu ungenau hingucken! Und dann haben wir, wir erleben es gerade in der Auseinandersetzung mit Beuys, diese ganz hinterhältigen Leute – Relotiuseffekt –, die sich als Wahrheitsergänzer einen Namen machen. Das funktioniert so, beispielsweise bei Beuys: Joseph Beuys war als Junge freiwillig in der Hitlerjugend. Das ist wohl wahr. Ergänzt wird die Sache dadurch, dass er zum ewigen Hitlerjungen gemacht wird.

Bei den Wahrheitsergänzern und Wahrheitsergänzerinnen können wir zwar nicht sagen, dass es ihnen um die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gehe, das nicht, aber wir können auch nicht sagen, dass sie gelogen hätten. Sie nehmen eben ein Körnchen Wahrheit und lassen damit irgendeinen Wahnsinn aufsprießen, der mit der ursprünglichen Saat nichts mehr zu tun hat.

Und wenn sie zur Rede gestellt werden, was heute ja gar nicht mehr unbedingt so recht geschieht, sagen sie, na schau doch her, da ist die Quelle, die ist wahr, und ich tue nichts anderes als dass ich mich auf diese Quelle beziehe.

Gruß