Manche Teebeutel der Firma Sonnentor sind mit kleinen Merksprüchen versehen. Auf der einen Seite steht das englische Original, auf der anderen die deutsche Übersetzung davon. Weil die Übersetzungen teilweise sehr schlecht sind, geben sie Anlass zu Überlegungen, während Du so Deinen Tee schlürfst.
Originaltext: «Live for today! ‹Live the day!›» Zweimal ein ähnlicher Satz, jeweils mit einem Ausrufezeichen abgeschlossen, einmal ohne Anführungszeichen, das zweite Mal mit. Pointiert wird auf ein Leben für den jeweiligen Tag hingewiesen. Das ist etwas ganz anderes als den Tag genießen oder in den Tag hineinleben oder dergleichen. Auch die Bezeichnung ‹Live the day!› ist nuanciert und eine weitere Nuance ist die Aneinanderreihung der beiden Sätze in ihrer Ähnlichkeit und gleichzeitigen Differenz. Leben, Wirklichkeit, Geistesgegenwart, kreative Gestaltung des Augenblicks, in diese Richtung geht der Aufruf dieses Meditaitonsangebots.
Die Übersetzung lautet: «Lebe heute und nicht morgen!»
Wenn ich nicht wüsste, was die deutsche Sprache für Möglichkeiten in sich birgt, würde ich lachen, so grob und scherenschnittartig kommt der Appell daher. Als Übersetzung völlig misslungen, als Aufruf für die Gestaltung des Tages unnütz. Und dann klingt es so – und da sind wir gegenwärtig dünnhäutig und schlecht ansprechbar –, als sollten wir heute gerade noch so über die Runden kommen, während wir morgen anscheinend nicht mehr leben werden.
Wie schön ist es, in den jeweilis neuen Tag hineinzuerwachen, ihn und in ihm zu leben und ihn mit wirklichem Leben zu füllen, achtsam und seelenvoll. Wie schön, an das heran zu rühren, was ein gelebter Tag genannt werden kann. Versuch über den geglückten Tag, so nannte Handke eines seiner Bücher, in diese Richtung geht’s, finde ich, im englischen Wortlaut, während die deutsche Übersetzung ähnlich grobschlächtig daherkommt wie zur Zeit der deutsche Fußball.
Gruß,