Das mit meinem Bauchgefühl ist so eine Sache. Ich brauche es oft bei wichtigen Entscheidungen, beim Klettern oder in Gesprächen. Auf mein Bauchgefühl kann ich mich verlassen. Doch es gibt Bereiche, wo es nicht passt. Autofahren beispielsweise tue ich ohne Bauchgefühl, da befolge ich die Verkehrsregeln, basta. Wenn ich Bußgelder bekomme, dann wegen Regelmissachtungen, da habe ich dann einfach zu viel riskiert oder ein Tempolimit übersehen. Ich bin dann einfach zu schnell gefahren, aber ich bin noch nie wegen meines Bauchgefühls über eine rote Ampel gerollt, ist das schlichtweg keine Option?
Was die Wissenschaft betrifft, bin ich inzwischen unsicher. Im ersten Moment würde ich sagen, Wissenschaft sei, wie Autofahren, eine Sache des Verstandes, allenfalls der Vernunft, habe jedoch nichts mit Bauchgefühl zu tun, wo kämen wir denn da hin?! Andererseits: sind nicht große Erfindungen durch ein Bauchgefühl ausgelöst worden?! Zum Beispiel das Pasteurisieren muss so entdeckt worden sein. Auch beim Safran war der Bauch der Auslöser dafür, dass sich dieses Gewürz als Reisveredler etabliert hat, und dies ohne jeden metaphorischen Einschlag: Ein Malerlehrling hatte gelbes Safranpulver, das bisher nur für die Malerei verwendet wurde, irrtümlicherweise verschüttet, ein Teil davon kam mit Reis in Berührung, den die Malermeister im Begriff waren zu essen. Sie fanden das ungewollte Gewürz reizvoll, seither ist das ehemalige Farbpigment ein Reisgewürz…
Dann ist es also in Ordnung, wenn ein Mediziner sich mit seinem Bauchgefühl durch die Abgründe der Virologie navigiert? Wenn ja, gibt es an der folgenden Aussage nicht den geringsten Makel. Ein berühmter Virologe sagte kürzlich: «Mein Bauchgefühl als Virologe ist, dass die Verbreitung des Virus durch die Impfung unterbunden wird.» Ich als Laie würde mehr erwarten von einem Fachmann. Und ich kann nur mein Erstaunen darüber ausdrücken, dass, wer so spricht, Preise absahnt und Regierungen bei ihren Entscheidungen nicht nur berät, sondern ultimativ beeinflusst.
Ich staune allerdings genauso, wenn Leute, die ein Bauchgefühl gegen das Tragen von Gesichtsmasken haben und sich, um nicht einzig aus dem Bauch zu argumentieren, auf maskenkritische Mediziner berufen, zu Weltanschauungsfanatikern gemacht werden.
Die einen mit ihrem Bauchgefühl sind Regierungsberater, die anderen gefährliche Theoretiker. Als ob uns die Theoretiker neuerdings die Praxis diktieren könnten, während die Praktiker als gefährliche Theoretiker abgestempelt werden. Dieses «Als ob» gehört zum Kinderspiel. «Ich renn‘ jetzt über diesen Stein, als ob ich ein Puma wär’», ruft ein Kind und hüpft auf seinen Plattfüßchen vor meiner Nase herum. Oder: «Dü wärst jetzt eine Dampflock, ich eine Diesellock und ich überhol‘ Dich jetzt, als ob ich schneller wäre». So weit die Kinder beim Als-Ob-Spiel.
Unter Erwachsenen klingt das Spiel etwas anders. «Wir tun jetzt mal als ob wir mit dem Impfen Bescheid wüssten», sagt der Virologe. «Ich lass meine Maske in der Hosentasche stecken, als ob ich sie im Aldi nicht bräuchte», sagt der Alte von nebenan, der sich geschworen hat, nie wieder eine Maske anzuziehen, nachdem er im Zweiten Weltkrieg Gasmasken tragen musste.
Bei Erwachsenen ist es schnell so, als ob das Spielen überhaupt nicht lustig wäre…
Mit Gruß, herzlich