Das Tagewerk, das ihm aufgetragen sei, werde immer schwerer und schwerer, schrieb der 31-jährige Goethe einmal, und immer leichter und leichter, ergänzte er seine Aussage.
Immer schwerer? Oder immer leichter? Was von beidem denn nun, bittschön! Konnte der Mann nicht denken? Oder verwandelt sich das Schwere, einmal in Angriff genommen, in Leichte?
Über ein Jahrzeht später war Goethe zum erstenmal Vater geworden. Er hatte sich darauf gefreut. Der Dichter war darauf eingestellt, sich mit Christiane zurückzuziehen. Doch sein Freund, der auch sein absoluter Chef war, wenns drauf ankam, der Herzog wollte, dass er ihn auf dem Feldzug der Alliierten gegen Frankreich 1792 begleite. Ein schwerer Schritt für den auf Rückzug sinnenden jungen Papa. Doch einmal im Krieg, ergriff ihn die Leichtigkeit des Seins. Während andere in Schlamm und Kälte umkamen, widmete er sich im Kanonendonner Farbstudien, sammelte Erinnerungen, die er später in Literatur verwandelte. Und er sorgte für persönlichen Komfort. Er hatte sein eigenes Bett – ein Klappbett, das heute in seinem Gartenhäuschen ausgestellt ist in Weimar – und einen leichten Einspänner dabei, um nicht den ganzen Wahnsinn der Soldaten mitmachen zu müssen und vor Wanzen und Flöhen verschont zu bleiben. Im Herzen die Sehnsucht nach Hause, wo in Weimar sein Weibchen an ihn dachte und das Kind stillte. In den Augen Frohsinn und Freude am Licht des jeweiligen Tages.
Wieder dreißig Jahre später schrieb Goethe im Buch Campagne in Frankreich über diese Zeit. Auffallend seine Distanz zu dem, was wir Krieg nennen. Doch nicht erst, als er darüber schrieb, pflegte er das Pathos der Distanz, sondern schon damals, als er mit Carl August durch Frankreich ritt, nur unaugenfälliger.
Grässlich die Vorstellung, dass dieser Vorzeigedeutsche 150 Jahre später den Kriegs- und Vernichtungswahnsinn der Deutschen mit der gleichen Distanz beschrieben hätte. Und geradezu undenkbar die Vorstellung, er würde heute leben und mit dieser ihm eigenen vermeintlichen Arroganz durch das gegenwärtige Leben gehen, das, wie die meisten von uns spüren, immer schwerer und schwerer wird.