Storch, schwebend

Könnte auch gesagt haben: Storch über Artgenosse schwebend. Genauer noch: Storch über Artgenossin – schwebend.

So viel Botanik hat man drin, auch ich, dass hier die Geschlechterzuteilung möglich war, ohne dass ich Genaueres gesehen hätte. Doch das, was ich sah, war erhebend. Erst dachte ich, die streiten, die haben irgendwie nicht genug Platz im Storchennest. Und warum macht man eigentlich Pappmaché-Störche an den Balkon, wenn ein Baby gekommen ist?

Das war kein Streit, erkannte ich und schaute gebannt, was sich da wie im Spiel entwickelte. Denn dass es ein Spiel sei zwischen einem Männchen und einem Weibchen, das war meinem Entdeckerinstinkt sonnenklar. Und es schien die Sonne, und das Weibchen gab sich ein bisschen, na, das ist vermutlich eine Annahme, ich wollte sagen: gelangweilt, jedenfalls stand es ruhig im Nest, wandte sich der Sonne zu und ließ den Flug über sich geduldig mit sich geschehen. Der Storch schwebte und schlug sanft mit den Flügeln, auch er der Sonne zugewandt, auch er, aber das scheint mir noch viel mehr eine Annahme zu sein, fast ebenfalls gelangweilt, aber das stimmte nicht. Er schwebte, schlug die Flügel, verzögerte die Landung, gab dem Nest und dem Weibchen unter ihm unbenennbare Grazie, wurde selbst schwebende Grazie.

Ich schaute wie gebannt mit pochendem Herzen hinauf, wissend, dass das ‚Normalste‘ auf der Welt alles andere als das Normale im Leben eines Storchs ist. Ist ja selbst bei uns nicht das Normalste auf der Welt, obwohl wir nicht so wie die Störche an Zyklen und halbe Weltreisen zwischen Glückserlebnis und Glückserlebnis gebunden sind.

Oh wie dieser Lufttanz über dem Nest eine Schönheit verbreitete, und: Oh, wie schwer kam ich mit meiner Sprache hinterher. Geht auch gar nicht, jedenfalls so lange nicht, wie der Sprache Träger Mensch, in diesem Fall ich, dem Geschehen mit Auge und Ohr sich ausgeliefert hat.