Das Vertrauen ist gar nicht so sehr in mir zu generieren. Vielmehr liegt es in den anderen begründet. Wenn du für andere lebst, zu anderen Menschen gutmütig hinlebst, entsteht in dir Vertrauen. Du erringst es nicht aus dir selber, sondern erst durch die anderen, sie geben es dir.
Dieser Gedanke droht auszusetzen, wenn der andere so gar nicht vertrauenerweckend ist. Und ganz verloren geht er, wenn der andere dich bedroht und aggressiv gegen dich vorgehen will oder tatsächlich schon vorgeht. Wie soll ich da durch andere Vertrauen bekommen? Das Gegenteil scheint logisch zu sein. Doch gerade dann, wenn diese Stimmung vorherrscht, gilt der Satz: Wenn du für die anderen lebst, entsteht in dir Vertrauen.
Juli Zeh hat dieses Thema im Buch Über Menschen liebevoll abgearbeitet. Obwohl der Nachbar der Protagonistin in diesem Roman ein Nazi ist und sie immer wieder mit der Angst kämpft, gewinnt in ihr das Vertrauen in diesen Mann die Oberhand. Damit wird alles möglich. Keine Angst, es ist keine Liebesgeschichte, die sich da entwickelt, doch der Mensch im Nachbarn bricht sich Bahn und der Leser und die Leserin merken bald, dass ihre Begriffe nicht mehr stimmen, die sie sich von den Bösen oder dem Bösen machen.
Die weibliche Hauptfigur findet im Draufzugehen auf ihren Nachbarn das Vertrauen in die Welt wieder, das sie schon fast verloren hatte. Sie hat eine Wende in ihrem Leben genommen, die das Anwachsen von Vertrauen auf natürliche Weise verstärkt: Sie hat sich entschlossen loszulassen und nicht mehr an fixen Lebenszielen festzuhalten. Dadurch gewinnt sie Kontakt zum Leben. Sie lässt all jene Etikettenbegriffe los, die wir so gerne an die Biografien anderer heften. Dadurch zieht, wie ein goldener Teppich, der Boden des Vertrauens unter ihre schon wundgelaufenen Füße…
Das ist eins der friedlichsten Bücher von Juli Zeh, und eins ihrer meistverkauften. Das gibt Hoffnung – und Vertrauen.