Wie restlos sich durch die Geschichte doch die Gewichte der Bedeutung verschieben können! Da hatten doch die treuen Freunde Franz Schuberts allen Mut zusammengenommen und dem großen Goethe Schuberts Noten mit der Vertonung des Goethegedichts Der Erlkönig geschickt. Nun warteten sie auf eine Antwort des Weimarer Dichterfürsten, doch es kam nichts. Eine Weile hatten Schuberts Freunde noch aufgeregt gewartet, dann wussten sie, dass ihr Versuch, wie viele andere Versuche auch, nichts zum Bekanntwerden ihres Helden beitragen konnte.
Erlkönig: Der verzweifelte Vater, reitend mit Kind
Goethe habe Schuberts Komposition «entartet» genannt, las ich mal irgendwo sinngemäß. Das war dann ja wohl ganz ähnlich wie mit den Werken der Romantiker Kleist, Hölderlin, Novalis, die sich Goethe ebenso vom Leibe hielt wie diesen Schubert da in Wien. Selbstverständlich spricht das für den schlechten Geschmack des selbstverliebten Ästhetikers am Frauenplan, der sich in Weimar wegen der meditteranen Ausstattung seines Wohnhauses am Frauenplan feiern ließ, ansonsten jedoch anscheinend wenig Kunstgeschmack bewies. Gut, als Zeitgenosse steht man anders im Geschehen, anders als wir mit unserem Überblick, wie wir ihn heute haben.
Heute ist die Einschätzung andersherum: Goethes Gedicht sei mittelmäßig, sagen die Germanistinnen mit triumphierendem Nasenrümpfen. Schuberts Vertonung hingegen wird für genial befunden und die Musikwissenschaftler jubeln sich einen. Schuberts Erlkönig sei etwas vom Größten, was je von einem Künstler geschaffen worden ist, das sage auch ich in Kassel Wilhelmshöhe 😎 ⛑.
Von Schuberts Erlkönig gibt es etwa 20 Transskriptionen, teilweise atemberaubende Musikliteratur. Hör Dir die Aufnahme der jungen Hillary Hahn auf Youtube an oder die Besetzungen für Gesang und fünf Gitarren oder was sonst noch alles, großartig. Goethes Gedicht ist durch Schubert berühmt geworden, genau wie sein biederes Gedichtlein über das Heideröslein.
Würde Goethe heute leben und nach zweihundert Jahren der inneren Läuterung seines Geschmacks zurückblicken, würde er Schubert einen dicken Batzen und Tonnen der Anerkennung nach Wien schicken (müssen!!). Und Schubert würde die Anerkennung noch heute gut tun, glaube ich, obwohl er zu seinen Lebzeiten solche Werke schaffte, ohn dass ihn ein Goethe oder sonst wer gekannt hätte – Schubert der Gute.
Grüße