Who shall we entertain next?

 

Es gibt eine Theorie, die besagt, dass eine wirklich erfolgreiche Begegnung mit der Welt vom Umgang mit den Phänomenen und nicht von Begriffen ausgehe. Diese Theorie ist besonders bei der Auseinandersetzung mit Extremsportarten hilfreich. Sehe ich mir einen Film über einen Lebensmüden an, der einen doppelten Salto auf dem Motorrad macht, ohne  selbst je auf einem Motorrad die Schwerkraft überwunden zu haben, dann kann ich das wahrscheinlich nur als selbstmörderischen Blödsinn betrachten. Weil die wenigsten Menschen einen Extremsport betreiben, neigen die meisten zu solchen Urteilen. Ich selber habe noch nie mit einem Motorrad vom Boden abgehoben, deshalb ist mir ein doppelter Salto auf dem Motorrad tatsächlich reichlich fremd und dementsprechend sind meine Empfindungen, wenn ich so etwas auf dem Bildschirm verfolge.

Anders geht es mir, wenn ich durch die Kamera den freien Fall eines Basejumpers verfolge. Da gibt es eine Beziehung und deshalb ziehen mich Filme über Basejumper und auch die Basejumper selbst in den Bann. Als Dean Potter bei einem Flug mit seinem Wingsuit gegen eine Felswand prallte und dabei umkam, war ich einige Wochen deprimiert, obwohl ich ihn gar nicht persönlich kannte.

Nun habe ich gerade eben den Kommentar von jemandem gelesen der den tödlichen Flug eines Basejumpers kommentierte, den ein Kameramann in allen Details gefilmt hat. «I have no connection to this person… so I found this entertaining», bekennt dieser Jemand. Das halte ich für eine sehr erstaunliche Aussage. Er fand es «entertaining», also unterhaltend. Ich erinnere mich an die Menschen, die 2001 in den Nachrichten gezeigt wurden, wie sie in ihrer Verzweiflung aus den obersten Stockwerken der brennenden Twin Tower in New York gesprungen sind, in freiem Fall vor den Glaswänden der noch einwandfrei stehenden Gebäude abwärts segelnd in den sicheren Tod. Die Bilder unterhaltend zu nennen, das hätte sich damals niemand getraut, doch immerhin so ehrlich waren die Leute, dass sie eine Diskussion über den ästhetischen Wert dieser Bilder vom Zaun brachen. 

Bemerkenswert ist, dass weit mehr Betrachter dieses Filmdokuments über den tödlichen Flug eines Basejumpers mit dem Daumen nach unten kommentierten, statt ihn wie gewöhnlich nach oben zu halten. Wer diese Filmsequenz als Entertainment versteht, gehört schon mal nicht zu denen, die das Gezeigte mit ihrer Moral verwerfen, im Gegenteil. Was die Zuschauer, die den Daumen nach unten hielten, geschrieben hätten, wären sie mit diesem Klick nicht schon zufrieden gewesen, würde mich über die Maßen interessieren. Ich vermute, dass ihre Stellungnahmen am anderen Ende der Skala der Emotionen ähnlich erstaunlich ausgefallen wären wie diesseits der Skala von midenstens einem der Unterhaltungswert dieser Todesfahrt hervorgehoben wurde.

Mit Fragen verbleibeend, herzlich