«Hier weiter», schrieb ich im Text an den Rand, wo ich am nächsten Tag fortfahren wollte. Wie leicht wird ein solcher Befehl kein ‹Fortfahren›, sondern eine Höllenfahrt. Oft komme ich nur über Umwege und Unwägbarkeiten, durch Wunder und nicht mehr rekonstruierbare Mäandergedanken zu einem Satz, von den aus ich dann fortfahre. Und dann werde ich unterbrochen oder die Zeit weiterzuschreiben ist nicht da oder eine kleine Unkonzentriertheit hat mich selbst vom Punkt weggeführt, wo ich gerade eben noch in Gedanken herumgeturnt bin – und schon stürzt die Sache in sich zusammen, gibt es kein Zurück mehr jenseits vom point of no return.

Schreiben ist weit weniger gefährlich als ein Extremsport oder Armee oder Drogen. Zumindest sagt man das so leicht. Papier ist geduldig, die Wörter, die wir wählen oder nicht wählen, sind es auch. Sagt man auch so leichthin. Diese Wortwendungen leuchten unmittelbar ein. Sind sie nicht dennoch falsch? Vernagelt dumm? Klavierspielen war für Glenn Gould lebensgefährlich, kein Wunder, dass er am Klavier einem Herzversagen erlag. Und nicht nur die Musik, auch die Kunst des Schreibens kann tödlich sein. Da sagte João Guimarães Rosa ein Jahr vor seinem Tod in einem Interview, dem einzigen Interview, das der berühmte Brasilianer überhaupt je gegeben hat in seinem Leben, sagte mit seinen 67 Jahren, er müsse noch viele Jahre leben, denn er habe noch so viele Geschichten niederzuschreiben. Und ein Jahr später, nicht am Klavier, nein ihn ereilte es am Schreibtisch, wie Glenn Gould, Herzschlag und tot. Also, dieses so unverfänglich und so vernünftig klingenden «Hier weiter» hat das Potential in sich, dass es jeden Moment partout nicht mehr weiter geht.

Ich träume manchmal, dass ich im freien Fall über den Salto Angel in Venezuela tausend Meter in den Abgrund fliege. So etwas zu tun ist nicht unbedingt gefährlicher als das Klavierspielen oder Schreiben. Ist das nicht eine ungeheure Aufwertung für manche Stubenhockerberufe? Ja, ist es, und ich freue mich schon heute, wie es morgen mit mir weitergeht.

Gruß