Heureka

Bei der Frage, ob ich Empathie habe oder eher nicht, argumentiere ich erstens zu meinen Gunsten und zweitens mit Wissenseingebungen.

Ich zweifle nicht an meinem Wissen darüber, was Empathie sei, und ebensowenig zweifle ich an den Fähigkeiten, was mein psychologisches Outfit und meine Empathiefähigkeit betrifft. Nun las ich kürzlich, dass ein Forscher herausgefunden habe, dass es gar keine Empathie bei uns Menschen gebe. Das fand ich erstaunlich und fragwürdig, öffnet es uns doch einen anderen, vielleicht tieferen Zugang zum Phänomen.

Erste mögliche Reaktion: Der Mann hat recht, und wenn ich so nach links und rechts und rund um mich herum schaue, begegnet mir überall unempathisches Menschenzeugs. Zweite Reaktion: Die Vorstellung, dass es keine Empathie gibt, ist schon deshalb interessant, weil ich dann nicht mehr so viel von etwas fasle, was ich zu kennen glaube, aber gar nicht wirklich kenne. So kann es geschehen, dass ich der Empathie plötzlich eine Wirkung zuspreche, die, wenn sie halt eben doch mal erscheinen sollte, ein «Heureka» zur Folge hätte: Es gibt sie eigentlich nicht, würde es mir entschlüpfen, aber ich habe sie für einen Moment erlebt, für einen Augenblick gefunden, mir kräuselte es die Nackenhaare, mein Herz schlüge vor Freude und hüpfte in der Wärme, heureka, sieh, da ist Empathie zwischen uns!

Eigentlich eine lohnende Sache, die Vorstellung, dass es das, was ich so tief in mir drinnen kenne – oder zu kennen meine, nicht geben soll. Dadurch wird sie gleich wertvoll und somit bringt die Einsicht des oben erwähnten Forschers einen Mehrwert in Sachen Empathie.

Wie schwer Empathie tatsächlich ist, zeigt die Erfahrung, wenn man von einem Menschen verlassen wird und nicht einsehen kann, warum. Wie lässt sich ein Einsehen gewinnen, wenn alles danach aussieht, dass der oder die andere irgendwie verrückt ist, diesen Schritt zu tun, der für mich so überhaupt nicht dran war und den ich beim besten Willen nicht verstehe. Im Moment des Verlassenwerdens ein Heureka-Erlebnis zu haben und ganz und gar beim Gegenüber, das die Trennung ausgesprochen hat, zu verweilen, sich ganz und gar in seine Gefühle und Gedanken einzustimmen, das ist Empathie im Extremfall – ein Gut, so selten wie Lehrerschweiß.

Empathie ist immer der Extremfall zwischen meinem Gegenüber und mir.