Jetzt sofort

Es gibt noch ein anderes «Jetzt sofort» als das des Turbokapitalismus. Wir hatten gestern ein solches anderes bei uns am Tisch. Es war ein Mensch, nicht mehr jung, der unter Glückstränen sagte, jetzt endlich sei in seinem Leben alles so weit, dass ihn nichts mehr an seiner Selbstentwicklung hindere. Er gebe sich keinen Augenblick mehr Aufschub, sondern er wolle (mit den nun folgenden Worten sagte er es nicht, das vielmehr der damals dreißigjährige Goethe, aber wenn ich ihn jetzt zitiiere, erfassen seine Worte die Stimmung, die über den Niederungen unseres Tisches geschwebt hat) die «Pyramide seiner Existenz so hoch in die Luft hinaufspitzen wie möglich», nicht irgendwann oder im Prinzip, sondern jetzt sofort.

Wie er dabei strahlte und wie ihn diese Unaufschiebbarkeit beseelte! Plötzlich waren alle am Tisch von seiner simplen Idee erfasst und strahlten mit.

Kein Zweifel mehr hegen, das ist das neue Tagesmotto, keine Gedankenlawinen über andere Menschen und unveränderbare Zustände mehr drüberkippen, keine Traurigkeiten hätscheln, statt Angst die Hinwendung zur eigenen Existenz und ihre liebevolle Pflege. Denn von einer solchen Art der liebevollen Zuwendung zu sich selbst sprach der Besuch, er sagte, er wolle so weit wie möglich kommen beim Projekt seiner Seelenerweiterung, doch er werde dabei lieb mit sich sein und sich zufrieden geben, auch wenn er die letzte und höchste Spitze, die zu erreichen er die Veranlagung in sich trage, nicht erreichen werde.

Mit guten Gedanken und Wünschen, für alle, die ähnlichen Sinnes sind – und für alle anderen, die anders darüber sinnen,

herzlich