Edward Snowden ist eine Generation jünger als ich, doch in seiner Autobiografie wirkt er manchmal wie ein Fossil. Vor allem dann, wenn er über die paradiesischen Zeiten schwärmt, wo das Internet noch eine Plattform für Spinner gewesen sei, frei von Werbung und ohne die heute überall lauernden Zahlbedingungen, Mitgliedschaften und ohne all die Einverständnisse zur Werbung und dergleichen mehr, die mir auf Schritt und Tritt abzufordern versucht werden.
Ich habe anscheinend noch fossilere Anteile an mir als Snowden, denn ich kann die immer wieder besungenen gigantischen Freiheiten im Netz nicht erleben, nicht heute und auch früher nicht. Mein Vorteil ist, dass ich keine Verschlechterung der Sachlage feststellen kann, weil sie nie wirklich gut war für mich.
Zwar bin ich, wie viele andere auch, ständig im Netz unterwegs und recherchiere viel. Doch ich bemerke, die Recherchen können noch so interessant sein, ich atme jedesmal auf, wenn ich nur den kleinen Leadtext und vielleicht noch fünf bis sieben Zeilen eines Textes lesen kann, beziehungsweise muss, weil ich keine Werbung will und nichts abonniere und auch sonst nix von diesem Netz will. Die Folge davon ist, dass ich den Text, den ich lesen wollte, nicht lese. Darin lauert pure Zeitersparnis, also Freude, Glück.
Was dann mal die Kommunikation mit Freunden und Freundinnen erschwert, ist der Umstand, dass ich ihre Links, die sie mir schicken, nicht weiter als bis zum kleinen Leadtext und den fünf bis sieben Zeilen lesen kann. Das genügt allerdings meisten, ich habe dann bereits eine Ahnung, um was es geht, und damit kommt man weit, erstaunlich weit.
Von der Kunst, mit Leuten über ein Buch zu diskutieren, das man nicht gelesen hat, hat schon Ephraim Kishon, ein Ur-Fossil, das keiner mehr kennt, treffend gewitzelt. Dass diese anarchische Ignoranz genauso im Netz möglich ist, liegt auf der Hand. Sie ist ja sowieso nicht eigentlich fürs Scrollen gemacht…