Minister Goethe wollte durchimpfen

Gut, die Gespräche mit Eckermann sind nicht das Beste, was es von und über Goethe gibt. Eckermanns Einträge sind manchmal etwas schlicht, gar kleingeistig. Das war Gothe selbst wohl nicht. Dennoch scheint die Sache, wie Goethe, der Herr Minister, seinerzeit mit der Pockenimpfung umging, beziehungsweise wie er darüber dachte, gar sehr im Dienst kleingeistiger Staatstreue gestanden zu haben.

Als «trotz aller Impfung» in Eisenach neue Todesfälle aufgetreten waren, stand die Frage des Durchimpfens plötzlich auf dem Prüfstand. Goethe gab sich lässig, er blieb bei der Haltung, das «strenge Gebot der Impfung» sei auch fernerhin zu befolgen. Dass einige trotz der Impfung gestorben waren, kam für ihn angesichts der «unübersehbaren Wohltaten des Gesetzes gar nicht in Betracht».

Und als hätte er die heutigen so genannten «Querdenker» im Auge gehabt, soll Goethe noch hinzugefügt haben, er sei immer dafür, «strenge auf ein Gesetz zu halten, zumal in einer Zeit wie die jetzige, wo man aus Schwäche und übertriebener Liberalität überall mehr nachgibt als billig».

Lustig – und gar nicht so lustig – die Vorstellung, Goethe habe sich zweihundert Jahre nach seinem Tod als der gesamtdeutsche Gesundheitsminister inkarniert und habe das, was er damals dachte, einfach nur wiederholt. Ist das für mich als Goethefreund nun Anlass, unseren Gesundheitsminister mehr zu mögen als dies meine natürliche Veranlagung erlauben würde?

Oder geht es mal wieder darum, zwischen Amtsinhabern und Menschen? Bei Goethe gelingt mir dies immer wieder, ich nehme den Menschen und Dichter und Phänomenologen Goethe immer wieder gegen den Minister, den junggebliebenen Sucher gegen den in bürgerlicher Schwere Versackenden und als Minister rigide an Gesetzen Klebenden in Schutz.