Urteilen

Gut schreiben heißt permanent denken. Deshalb kommen in gut geschriebenen Texten kaum Urteile vor. C.G. Jung meinte, Denken sei schwer, darum würden die meisten urteilen. Wenn ich hier jetzt meinem Impuls folge, schreibe ich: Stimmt. Das wäre dann ein schlechter Text, weil gleich zu Beginn schon urteilsbehaftet.

Mit «Urteil» ist dabei nicht die ursprüngliche Bedeutung des Wortes eingefangen, nämlich «Urteil = Wahrspruch, den der Richter erteilt», sondern ein Downloaden, ein fragloses Rundterladen bereits gedachter Gedanken, eben nicht denken. Gut schreiben ist gut denken, doch damit ich von den Urteilsfallen weggkommen, sollte ich bei der Verwendung des Wortes «gut» auf der Lauer sein, am besten verzichten, wo immer möglich – und das ist oft gut möglich. Schreiben als Folge von Denken nimmt Fahrt auf, vorausgesetzt Denken ist am Start und nicht das Wiedergeben von Gedachtem. 

Klingt alles so kopfig. Ist es doch aber gar nicht. Und wer Bilder dafür braucht, sehe sich die beiden Berlinfilme von Wim Wenders an, da können wir Einblicke bekommen, wie im Alltag das Wiedergeben von Wortschablonen erfolgt, dem wir den Namen «Denken» zu geben gewohnt sind. Und in diesen beiden Filmen ist obendrein dargestellt, dass auch die Engel selbs dauernd in Denk-Runterlade-Schlaufen festhängen. Wer denken kann, vermag also nicht nur dem Vorankommen von uns Menschen, sondern sogar den Engeln aufzuhelfen.