Fromm und die Frömmler

Erich Fromm habe schon lange vorhergesagt, dass einst im streng wissenschaftlichen Jargon aus dem Rationalismus eine Religion zu machen versucht werde, welche dann automatisch alle, die nicht oder nicht ausschließlich an diese Religion glaubten, in die Nähe der Psychopathologie rücke, las ich gerade eben bei einem Autor, der vor der zur Zeit durch die Medien wogenden Sündenbock-Kampagne gegen das warnte, was manche unter Anthroposophie verstehen.

Erich Fromm durfte das mit der Rationalität als einer Religion damals noch sagen. Heute bekäme er damit wohl einige Schwierigkeiten.

Bei mir ist es so, dass mich der Hinweis auf Fromms Gedanken von damals mit einigem versöhnt, was heute von sehr vielen Leuten und gerade eben auch von solchen Leuten gesagt wird, die sich für Wissenschaftler halten und dabei, genau betrachtet, doch nichts anderes tun, als um den von ihnen vergötterten Rationalismus (und das, was sie darunter verstehen) herumzutanzen wie die Gefallenen im Alten Testament um das berühmte Goldene Kalb. Mir tut es dann schon mal ziemlich gut, bei einem Denker wie Erich Fromm, den ich für einen echten Wissenschaftler halte und für einen allgemein gut gebildeten Menschen, ähnliche Gedanken vorzufinden wie ich sie im Stillen so durch mein Alltagsleben trage.

A propos Alltagsleben, da kommt mir ein Tag in den Sinn, der alles andere als Alltag für mich war. Ich meine die Stunde, in der ich meine Doktorurkunde an der ehrwürdigen Universität Basel abholte. Da unterschrieb ich ein Papier, dass ich als promovierter Akademiker verpflichtet sei, der Wahrheit zu dienen und forschend nichts als die Wahrheit im Fokus zu haben. Daran habe ich in den letzten Jahren oft gedacht und mich gefragt, ob ich denn der einzige sei, der in dieser Pflicht stünde.

Ich weiß, ich bin nicht der einzige, selbstverständlich nicht. Dennoch fühle ich mich ein bisschen auf verlorenem Posten und stoße weder in den Medien noch in den meisten Büchern auf solche Akademiker, wie Erich Fromm einer war.

Doch es gibt einen Lichtblick, das sind meine alten Bücher, dort tummeln sie sich zuhauf herum, die Wahrheitssucher, welche die Kunst-Des-Fragens-Und-Nochmals-Fragens-Und-Dennoch-zu-Handfesten-Resultaten-Kommens beherrschten.

Herzlich