Vorausschauende Obrigkeit

Fedor Dostojewski wurde als junger Erwachsener vier Jahre lang in Ketten gelegt und, ohne dass er einen Augenblick allein sein durfte, in einem russischen Straflager inhaftiert. Eigentlich sollte er (ohne triftigen Grund) erschossen werden, doch die vorausschauende Obrigkeit, der Zar, begnadigte ihn und schickte ihn ins Lager, irgendwie intuitiv erfassend, dass der Gestrafte aus dem Dreck, in den er für Jahre gestoßen werde, erhaben und wie zu einem Diamanten geschliffen auferstehen und fortan die Tiefen der so genannten russischen Seele mit Worten erfassen würde wie kaum ein anderer Mensch vor und nach ihm.

Dostojewski kam physisch gealtert und mit schwerer Epilepsie aus der Verbannung zurück, doch in seiner brennenden Seele war tatsächlich jenes leuchtende Juwel geboren worden, das viele unvergessliche Gestalten der Weltliteratur erschuf und später eine Hymne auf den Zar schrieb.

Dostojewskis Biografie, ins Allgemeine gedacht, legt den Gedanken nahe, dass die Obrigkeit, wenn sie Dich bestraft, insgeheim Dein Bestes will und Dir all das, was sie Dir antut, nur deshalb antut, weil sie aus Dir einen Diamanten schleifen will. 

Selbstverständlich lässt sich so etwas nur denken, wenn wir für einen Augenblick ins abgrundtiefe Seelenkleid von Dostojewski hinabsteigen.

Gutes Geschick wünscht,

herzlich