Diese Type

Manchmal verzichte ich im Autoverkehr gern auf mein Recht. Dafür Dank zu ernten freut mich.

Eben saß ich im Auto in einer engen Straße da kam mir ein VW-Bus entgegen, wir hätten nicht aneinander vorbeifahren können ohne dass der VW-Bus oder ich hätte ausweichen müssen, und nun wollte der Bus direkt vor mir auch noch nach links in eine ebenfalls enge Seitenstraße. Das war nun eine solche Situation, in der ich sinnigerweise auf mein Recht verzichtete. Hätte ich auf dem Vortritt bestanden, wäre die Folge davon gewesen, dass der Bus bis in die nächste Nische hätte zurückfahren müssen.

Selbstverständlich gab ich der Fahrerin ein Zeichen, dass ich warte, bis sie eingebogen und in der Seitenstraße verschwunden sei. Sie zögerte. Ich winkte nochmals, deutlich und ganz langsam, und gab ihr per Handzeichen zu verstehen, dass ich warten und ihr den Vortritt geben würde. Sie drehte in die Seitenstraße, ollte nah an meinem Auto vorbei und schaute zu mir herunter. Kaum war sie über den Moment eines Dankeszeichens hinaus, fragte ich mich im Stillen: «Äh, wieso kein Dankeszeichen?!»

Als ich weiterfuhr, dachte ich darüber nach, ob meine Frage eine echte oder eine rhetorische Frage gewesen sei. Ich kam drauf, weder noch, denn es waren Etappen des Fragens, die hintereinander abliefen. Das «äh» war ganz kurze Zeit eine echte Frage gewesen, ganz am Anfang und nur ganz, ganz kurze Zeit. Blitzschnell folgte darauf der folgende leise innere Kommentar: «Diese Type!» Nicht laut, nicht oben im Hirn oder in der Klarheit des Bewusstseins, sondern erst langsam an die Oberfläche tretend und in der Tageshelle des Bewusstseins ankommend, als ich mir die Frage nach der Art der Frage stellte.

Dann versuchte ich zu dem Moment zurückzugehen, wo die Frage noch keine rhetorische war. Schwierig, aber so etwas wie ein gerade noch erwischtes Glück. Es gibt nämlich die verschiedensten Antwortmöglichkeiten auf mein geäußertes «äh», Antworten, die ich nicht wissen kann. Ich habe keine Ahnung, was in der Fahrerin vorging, als sie mein Zeichen auf den zweiten Anlauf hin verstanden, dann den ersten Gang eingelegt, langsam in die Straße eingebogen und dabei auch noch einen Augenblick lang zu mir herunter und mir direkt in die Augen geschaut hatte. Ich werde auf diese Frage nie eine Antwort erhalten.

Wie schön, eine Frage dort stehen zu lassen wo sie hingehört. Hat was Weihnachtliches.