Gemeinschaftsschicksal

Langsam ist es so weit, dass uns die anderen, dass mich jede und jeder andere was angeht. Das ist der Sache nach schon lange so, und spätestens die Globalisierung sollte uns bewusst gemacht haben, wie sehr alles mit allem und jeder Mensch mit jedem anderen verflochten und voneinander bestimmt und auch abhängig ist.

Dennoch ist dieser Sachverhalt, der uns ja doch eigentlich zu Menschen machen sollte, die sich nicht immer in erster Linie um sich selbst, sondern mit viel größerem oder doch wenigstens genau so großem Einsatz um das Wohl der anderen kümmern sollten, dennoch ist dieses Verhältnis dadurch bestimmt, dass es in den alltäglichen Handreichungen verschlafen und verdrängt wird.

Da sind die Masken, mit denen wir uns heute im Alltag begegnen, eher hilfreich. Da wird sichtbar bis ins äußere Bild, dass ich nicht mehr nur ein Einzelschicksal bin, sondern dass wir, die wir gemeinsam durch diese Zeit miteinander gehen müssen, ein Gemeinschaftsschicksal haben, das es erst noch gemeinsam zu meistern gilt. Plötzlich bin ich empfindlicher und preisgegebener, wenn es um Parlamentsbeschlüsse, Gesetzesveränderungen und die kleinen Beschlüsse der Läden und Haushalte in unserer Straße geht. Holt die Schulleitung die Polizei, wenn gewisse Kinder aus was für Gründen auch immer für eine gewisse Zeit zu Hause bleiben dürfen, wie die Eltern finden, oder findet die Schulleiterin oder der Schulleiter andere Lösungen. Kann ein Feind, zu dem wir ein Virus erklärt haben, nur dadurch in Zaum gehalten werden, dass irgendwelche Minister bestimmen, dass demnächst Soldaten im eigenen Land meinen Körper ins Visier nehmen und notfalls Zwangsmaßnahmen an ihm durchführen sollen? Das alles sind konkrete Bewährungsproben, die wir miteinander und aneinander gegenseitig zu bestehen haben.

Und, ich merke es bei mir selber, der Reflex, diese ganzen Turbulenzen von mir fernhalten zu wollen, weil ich ja ein Einzelschicksal sei und mit den anderen nicht gar zu viel gemein hätte, dieser Reflex greift in diesen Tagen immer weniger und weniger. Und die Bereitschaft, hinter der Maske, mit der ich beim Einkaufen in der Schlange stehe, einen Menschen zu sehen, mit dem ich auf Gedeih und Verderb verbunden bin, ist manchmal noch zu wenig vorhanden, doch wo die Bereitschaft fehlt, prügelt uns inzwischen oft genug das Schicksal an die Stelle, wo wir uns angesichts der neuen weltweiten Verhältnisse bitteschön hinzustellen haben.