Hängepartie

Das war ja gar noch nicht schlimm, damals in der Jugend, als ich in der Route nahe Kehlkeim in der feinlöchrigen Kalkwand die IX- nicht auf Anhieb schaffte. Mäcke, mein damaliger Kletterfreund, spornte mich an, es am Abend oder am nächsten Tag wieder zu versuchen. Herrliche Zeiten.

Schon mehr als Hängepartie erlebte ich eine Spritztour auf den Fahrrädern von unserem Haus zum Herkules hinauf, da war mein ältester Sohn der Partner, ein aufschießender Jugendlicher. Doch plötzlich radelte neben mir ein Feind, denn der Junge roch, dass ich am Limit strampelte, während er noch Reserven hatte. Oben kam ich als Zweiter an, musste im Stillen vor mir bekennen, dass mich mein Kind an Kraft und Schnelligkeit und Ausdauer in den Schatten gestellt hatte. Zum erstenmal war ich von meinen Nachkommen besiegt.

Und jetzt gerade eben schlurfe ich in Richtung Badewanne und höre von hinten die fünf Worte, die ich noch nie gehört habe und die auf einen Schlag mein Leben verändern. Nun, Männer sprechen, wenn sie unter sie sind, ja durchaus mal ganz ehrlich von diesem oder jenem Hängebusen. Fand ich nie schlimm. Und jetzt: «Mann, Du hast einen Hängearsch!»

Älterwerden beginnt schon mit 18 oder 19 Jahren. Altwerden aber ist noch eine andere Kategorie. Meine bessere Hälfte rief dann noch vergnügt hinterher «gibt Schlimmeres», doch das tröstete höchstens sie. Für mich war das eine Breitseite – ich Mann und Hängearsch. Verdammt. Und dann diese grundsätzlichen Gedanken, sie kamen wie ein Reflex: Ist das mit unseren Männerärschen wie mit den Augen, da sagt die Wissenschaft, das menschliche Auge sei auf etwa sechzig Jahre ausgerichtet, deshalb hätten alte Menschen solche Probleme mit dem Sehen. Und mein HA (ich mag das Wort gar nicht aussprechen, heute noch nicht), ist das auch so ein Organ, das in meinem Alter so allmählich dann vielleicht mal bitte unter die Erde gehört? – Und wenn nicht, ist das heutige Kompliment dann nicht wenigstens der frohlockende Aufruf, nicht nur so im Allgemeinen über das Altwerden nachzudenken, sondern mein eigenes Altwerden mir so konkret wie möglich vor Augen zu stellen, ja genau, zu visualisieren?

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Am Curtis Institut in NY unterrichtete ein alter Pianist. Er hatte schon Jahrzehnte nicht mehr selber klaviergespielt. Dann begann er mit 103 Jahren nochmals zu üben und spielte mit 104 Jahren vor seinen erstaunten Kollegen und Studenten Beethovens Klaviersonate Nr. 32 in c-Moll, op. 111. Das musste zum Thema denn doch noch gesagt werden, ha.