Ich kann sie schon verstehen

Ich kann verstehen, wenn der Politiker und Philosoph Robert Habek gesagt hat (wenn er es denn gesagt hat), dass die einzelnen Bürger sich selbst nicht führen könnten und also die entsprechende Führung verpasst bekommen sollten. Und wenn der elfte und erste parteilose ehemalige Bundespräsident, Joachim Gauck, gesagt hat (wenn er es denn gesagt hat), dass die Leute in Deutschland nicht reif für die Direkte Demokratie seien, verstehe ich das auch.

Doch Politiker haben weder das Recht noch die Aufgabe, so zu reden!

Auch wenn Fußballfans imstande sind, einen Zug der Deutschen Bahn auf der Fahrt von Freiburg nach Hamburg derart zu demolieren und in ihre Bestandteile zu zersetzen, dass man ihn gleich auf die Müllhalde kippen kann, den ganzen Zug mit all seinen vollgeschissenen Abteilen und alle diesen mit Messern aufgeschlitzten Sitzen, und auch wenn die Masse anscheinend am liebsten bei laufenden Talkshows vor die Hunde geht und sich so schlecht ernährt, dass die Krankenkassen immer teurer werden – auch wenn das alles zutreffen mag, die Politiker müssen an ihre Wähler und an die Menschen, für die sie im Bundestag sitzen, glauben. Und dies im Sinne, wie es Goethe im Wilhelm Meister definiert hat: «Wenn wir die Menschen nur nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.»

Die Formulierung «so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind» ist schon gefährlich genug, wenn sich Politiker diese Formulierung auf die Fahne schreiben, aber was Habek und Gauck gesagt haben (sollen), ist nicht nur gefährlich, sondern, wie ich meine, kriminell.

Gruß