«O Sonne, Königin der Welt!»

Beim Joggen in einer Nebenstraße lief ich im Morgensonnenschein an einer geparkten Autoreihe entlang und sah die Schatten der Autos auf dem teils trockenen, teils feuchten Asphalt. Die feuchten Stellen füllten den Schatten der Autos aus. Ich lief von Westen an die Autos heran, die von der Sonne aus dem Osten beschienen wurden. Die Schatten der Autos waren also nicht nur dunkler als der Rest der Straße, sie waren auch feucht.

Da sah ich, wie durch den Lauf der Sonne die südlich gelegenen Schattenteile am jeweiligen Auto bereits zu trocknen angefangen hatten, während die Schatten der Autos insgesamt noch feucht waren. Der neue, aktuelle Stand der Sonne leckte am Bild, das sie eben noch geschaffen hatte, und veränderte es.

Die Kraft der wandernden Sonne schafft überall ständigen Wandel. Ihre Wirkungen nehmen wir zeitlich versetzt wahr. Die Sonne lässt das, was wir von ihr sehen, hinter sich, ohne dass wir es bemerken. Wo wir ihre Wirkungen wahrnehmen, ist sie selbst schon weiter gezogen, sie ist unserer Wahrnehmung voraus. Wie muss sie sich geschmeichelt gefühlt und sonniglich wohlgefühlt haben, als Schubert die Komposition O Sonne, Königin der Welt zu Papier brachte, ein herrliches Werk zum Dank ihres unermüdlichen Schaffens.