Sprache des Lebens

Gestern kamen wir aus Marburg von einem Ausflug zurück. Unsere Nachbarn sind wieder aus dem Urlaub zurück, es brannte Licht. Im Haus neben ihnen war es dunkel, der alte Mann, der dort Haus wohnt, war wohl schon zu Bett gegangen. Während im schönen Landhaus bei der Uralten zwei Hausnummern weiter noch das Wohnzimmer erhellt war und auch im Haus auf der anderen Straßenseie, wo zwei Pensionisten leben, leuchtete in einem Fenster des sonst dunklen Hauses eine Glühbirne oder LED-Lampe. Ich schaute nicht genauer in die Häuser um mich, deshalb weiß ich nicht, was mit dem Haus unserer lieben zwei alten Nachbarn im Westen war, während ich sicher bin, dass sich der Einsiedler in seinem Haus unserem Garten schräg gegenüber ebenfalls schon hingelegt hatte, sonst hätte man durchs offene Fenster seinen Fernseher gehört und funzeliges Farblicht gesehen. Als ich auf die Uhr sah, erkannte ich, dass es noch früh war.

Angesichts der uns umzingelnden, schwach oder gar nicht illuminierten Häuser im Dunklen um uns herum hatte mich das kleine Video, das ein Freund in diesem Augenblick von der Insel Lesbos geschickt hatte, hell illuminiert und elektrisiert. Es zeigte die Refugees dort, die ein Konzert gegeben hatten. Man hörte ihre Musik und sah, wie eine Fülle junger Menschen begeistert tanzte, und wie die tanzten – und wie viele und mit welcher Lebensfreude und Innigkeit und Sorglosigkeit, so schien es wenigstens auf dem unkommentierten Video. Neben schönen tanzenden jungen Frauen hüpften kleine Kinder auf der Bühne, in die Händchen klatschend, alles so nah vor der Kamera, dass man die zarten Klatschgeräusche im allgemeinen fröhlichen Lärm hören konnte. Alte sah ich keine, aber nicht, weil die schon zu Bett gegangen wären.

Natürlich kommen auch manchmal andere Töne aus Lesbos, nämlich dann, wenn es um die einzelnen Schicksale geht, die dort ankommen, und wenn nicht so ein Fest angesagt ist, sondern der Alltag das Lebensgefühl definiert, und das ist natürlich viel öfters an der Reihe als ein solcher Feier-Abend.